
St. Annen-Str. 3, Heilige Margareta, 14.Jd. (Wulff)
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Hagiographie
Unter Hagiographie ist hier die nichtbiblische christliche Überlieferung zusammengefasst: Heiligengeschichten aus den apokryphen, d. h. nichtkanonischen Evangelien und aus der legendarischen Überlieferung.
In der großen Diele eines wohlhabenden Geldwechslers wurden 1310/20 Heilige und biblische Gestalten dargestellt, die hier vermutlich für die Lebensalter des Mannes stehen. Dazu gehört auch der im Ostseeraum als Patron der Kaufleute beliebte, heilig gesprochene norwegische König Olaf (Königstr. 51). Auch der hl. Christophorus ist dort zu sehen: Seine Geschichte ist in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine (1263-73) überliefert, einer ebenso spannenden wie erbaulichen Sammlung von Heiligenlegenden, die das beliebteste Volksbuch des Mittelalters war. Großformatige Christophorusgestalten waren häufig an Kirchenwänden angebracht, ihr Anblick sollte vor dem unvorbereiteten Tod schützen (St. Jakobi, St. Marien). In der Lübecker Pilgerherberge wurden zwei Christophorusbilder gefunden, ein älteres ist mit einem größeren übermalt worden (Große Gröpelgrube 8). Die Heiligen Margarete, Nikolaus und Theobald sowie Anna selbdritt
kommen als Einzelbilder in
einem Raum eines von Frauen bewohnten Beginenkonvents vor (St.
Annen-Str. 3).
Das Marienleben war im Spätmittelalter besonders beliebt, wie die Kirchenausstattungen beweisen. Maria wurde als Helferin, Mittlerin gegenüber Christus und als Himmelskönigin verehrt. Ihre Krönung durch Christus nach ihrer Himmelfahrt ist ein Bildtypus, der nicht auf biblische Berichte, sondern vermutlich auf die Liturgie der Himmelfahrt, auf Hymnen und Homilien zurückzuführen ist (Mengstr. 40).
Künstlerisch und inhaltlich höchst anspruchsvoll ist schließlich eine mit Inschriften versehene Darstellung des
apokryphen Buches Tobias (Tobit), die der gebildete
Magister Tidericus Georgii im Saal seines Hauses anbringen ließ (Fleischhauerstr. 22).
Nach der Reformation spielte die Marien- und Heiligenverehrung keine Rolle mehr; Heilige wurden allein als Vorbilder im Glauben gesehen. In diesem Sinne werden im 16. Jahrhundert mehrfach Evangelisten dargestellt.
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